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Die Schwarze Henne
Franz Hiermann
Vor hundert Jahren haust in
einer einsamen Sölde an den Abhängen des Schaunburgberges ein Weib
finsterer und verschlossener Sinnesart. Es stand daher in Rufe der
Zauberei und kein einziger der lebenslustigen Bursche des Aschachtales,
nicht einmal die verwegenen Jägerknechte aus der Burg, die Zauberei für
nicht achteten, getrauten sich des Nachts zur Sölde, zu den Fenstern des
Töchterleins der Zauberkundigen. Das allerschönste Hexenkind,
das je für das Feuer herangewachsen war, blieb wie eine Wunderblume
keusch und rein, seiner Unschuld unbewußt, vor böser Zauberei behütet.
In jenen Tagen war die Schaunburg noch eine stolze Veste, in Schmucke ihrer Mauern,
Türme und
Wehren, doch waren ihren Herren die dräuenden Seinbauten zu eng und sie
wohnten daher in den heiteren Schlössern des Tales. Nur ein Förster hauste mit
jungen Jägerknechten im Vorwerke der Burg. Als treuer Wächter achtete er
darauf, daß kein Unberufener die Burg betrete, die neben fühlbaren
Schätzen in den fürstlich geschmückten Sälen und Gelassen auch einen gar
geheimnisvollen in irgendeinem Verliese barg.
Von Ahn zu Ahn vererbte sich
nebst anderen Wundermären die Kunde: der Zauberschatz schwelle alle
hundert Jahre am Tage Johannis zum Licht, werde wieder gemeines Gut, so
daß ihn jeder nehmen könne, der ihn finde.
Der Förster aber
wußte des
Näheren, daß in einem Gelaß der inneren Burg, in dem vor alter Zeit des
Heiligen Römischen Reiches Kaiser und König zu Böhmen, Wenzeslav, mit
seiner schönen Bademagd Susanne gefangen saß, sich die bewußte
unterirdische Schatzkammer befind, die sich nur Zauberkundigen öffnet.
Und darin der einst vergessene Schatz des Böhmenkönigs: ein Nest von
goldenen Eier, auf denen ein schwarze Henne brütet.
Wer zur rechten Stunde in den
geheimen Keller steigt und der schwarzen Henne ein weißes Ei hinlegt,
bannt den Zauber – die Henne, glücklich einer fatalen Arbeit enthoben zu
sein und endlich ein ihrer wahren Natur angemessenes Ei ausbrüten zu
können, wird das Nest verlassen und der Mutige kann die goldenen Eier an
sich nehmen.
Freilich wußte der Förster
aber auch allzu gut, daß – wie aller Zauber dieser Welt – die Sache
einen Haken habe: Das erlösende Ei muß von einer schwarzen Henne am
Johannistag gelegt und von einen reine Jungfrau zum Nest getragen werde.
Schwarzen Hennen gab es zwar genug im Aschachtale ---
Zur selben Zeit in der
Johannisnacht streckte ein schlanker Jägerknecht, der in Schlosse seine
Stube hatte, seine Glieder im ächzenden Himmelbette. War es dies, oder
war es, dass die Uhren in den Kirchen des Tales allzulaut die elfte
Stunde schlugen, war es des Mondes Silberschein, der durch das Fenster
drang, der Duft der Lindenblüten oder der Schlag seines jungen Herzen –
er wurde jählings wach, sah zum Fenster hinaus. Im mondhellen Schloßhofe
aber stand, halb zur Wonne, halb zum Schrecken des Weidmannes, ein
feines Mägdelein – oder ein Geist? – im flatternden Hemdlein.
Entweder war der junge Jäger
freien Sinnes oder so reinen Herzens, daß er keinerlei Geisterfurcht
kannte – er trat verwegen, so wie er aus dem Bette gestiegen, hinaus in
den Hof und fragte nach Begehr, Ursach und Woher.
Holdselig lächelte die
Gestalt, blieb neugierig stehen und gab sich solcherart als ein Wesen
dieser Welt und als Weib zu erkennen: Sie sei die Tochter der Söldnerin
am Berge und suche da Wenzelhaus. Ihre Mutter habe sie beredet, auf
verborgenem Pfade in die Burg zu steigen, um einen Schatz zu heben, und
die sei der Meinung, daß es schon um die Mitternachtsstunde wäre. Das
weiße Hemdlein aber, an dem sich der Jägerknecht nicht genug satt sehen
konnte, sei von der Mutter als ein notwendige Zauberhülle angeordnet
worden und setzte schelmisch hinzu der Jägerknecht werde wohl bei dem
nämlichen Weber die Leinwand für seine Pfaid bezogen haben.
Da freuten sich beide
königlich ihrer reinen Torheit. Weil der Zug in dem kalten Hofe
schädlich werden konnte, lud er die Jungfrau ein, bis zum schlag der
zwölften Stunde bei ihm in seiner Stube zu wachen. Die Linden hauchten
betäubende Düfte aus. Die Nacht war aller holden Zauber voll. ---Nach geraumer Weile Schlugen
die Kirchentürme im Tal die zwölfte Stunde. Da schritt das Jungfräulein
mit glühenden Wangen und brennenden Lippen, ein weißes Ei in der Hand,;
den Kellern zu, dessen Pforten sich von selbst öffneten.
Aus dem Dunkel leuchtete es
in feurigem Scheine. Wohl gluckste die Henne, sträubte sie die Federn
und schlug mit den Flügeln, erklang es in seltsam fremden Lauten wie
Schreien, schimmerten die goldenen Eier, doch ungeachtet des
zärtlichsten Lockens und Schmeichelns rührt sie sich nicht vom Platze.
Entweder war das Lockei in
der Eile und Hast verwechselt oder sonst ein Irrtum unterlaufen, der
bei Zaubereien leicht möglich ist ---
Der Schatz blieb also
ungehoben. Ihn hütete er Zauber abermals hundert Jahre, danach er wieder
einmal zu gemeinem gut wird, so daß ihn jedermann nehmen kann, der ihn
findet. Und – man denke: Heuer sind die hundert Jahre wieder voll, und
der schwarzen Hennen gibt es genug im Aschachtal!
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